Der Deutsch-Amerikaner Reisinger und der Wiesbadener Apotheker Herbert spendeten Anfang der dreißiger Jahre des Stadt Wiesbaden eine ansehnliche Summe mit der
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Der Deutsch-Amerikaner Reisinger und der Wiesbadener Apotheker Herbert spendeten Anfang der dreißiger Jahre des Stadt Wiesbaden eine ansehnliche Summe mit der Auflage, eine repräsentative Gartenanlage zu schaffen. Ein bemerkenswerter und beispielhafter Bürgersinn, den man nicht hoch genug einschätzen kann. Dazu kam die Gunst der Stunde, das freigewordene Areal vor dem Hauptbahnhof, hier lagen früher die drei Taunusbahnhöfe, war noch nicht bebaut, was aber bereits in der Flächennutzung vorgezeichnet war. So kam die Spende gerade recht, es wurde ein Wettbewerb ausgeschrieben, den der Wiesbadener Gartenarchitekt Friedrich Wilhelm Hirsch (1887-1957 – Großonkel unseres Geschäftsführeres Wolf Dieter Hirsch)) gewann, in Zusammenarbeit mit dem Architekten Edmund Fabry und dem Bildhauer Arnold Hensler. 1932 wurde die Anlage eingeweiht, 1937 erfolgte der 2. Bauabschnitt, die Herbert-Anlage, die ursprünglich nochmals erweitert werden sollte bis zur Rheinstraße, eine Idee, die aber im Krieg nicht weiter verfolgt wurde. Nach dem Krieg nutzten die Amerikaner den Park als Parkplatz, eine vorüber gehende Lösung. Magistrat und Bevölkerung plädierten für die Wiederherstellung der Anlage, was dann auch in den 5oer Jahren geschah. Im Laufe der Jahrzehnte veränderte sich der Park, Staudenflächen wurden vereinfacht, Blütengehölze nicht mehr ersetzt, Drogendealer trieben hier ihr Unwesen.
Erfreulicher Weise entschied sich die Stadt für eine Generalüberholung, die allerdings noch aussteht. Zunächst erstellte im Jahr 2008 die Landschafsarchitektin Carola Schnug-Börgerding das Parkpflegewerk „Reisinger.Herbert-Anlagen“. Sie beschreibt hierin den außerordentlich hohen Kunst- und kulturgeschichtlichen Wert dieser Anlage, sie gehört zu den wenigen in Deutschland erhaltenen öffentlichen Anlagen aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Der Park ist ein herausragendes gartenarchitektonisches Gesamtkunstwerk mit einer weiteren Besonderheit, es ist die Bezeichnung „Europa-Anlage“, wegen der auf Europa bezogenen Motive, besonders die auf dem Stier (Zeus) sitzende (geraubte) Europa (dafür sieht sie recht zufrieden aus), geschaffen von dem Bildhauer Ludwig Spiegel und die Sgraffiti in der Wandelhalle von dem Wiesbadener O.K. Hy, ebenfalls griechische Europamotive, die ikonographisch eine absolute Ausnahme im Europa dieser Zeit sind.
Die Reisinger-Herbert-Anlagen sind städtebaulich in Deutschland eine einmalige Situation. Der aus dem Bahnhof Heraustretende schaut nicht, wie sonst in Großstädten üblich, auf ein bebautes Stadtquartier sondern in eine langestreckte, reich mit Blumen ausgestattete Parkanlage, die den Blick über das Grün, über die Stadt hinweg bis in den Taunus leitet. Eine einzigartige Visitenkarte!

Geschmälert wurde das „grüne Glück“ erstmalig, als man Anfangs der 50er Jahre am Ende der Parkanlage, an der Rheinstraße die Rhein-Main-Halle errichtete. Das war zunächst noch ein relativ harmloser Baukörper, teils auf Stützen stehend, um den Anschein zu erhalten, das Grün flute unter dem Bauwerk hindurch. Sehr bald änderte sich das Bild, es wurde angebaut und angebaut, der letzte große Eingriff erfolgte Anfang der 80er Jahre, als die Messe erneut ein gutes Stück der Herbert-Anlage verbrauchte. Nun stellte man in unseren Tagen fest, die Halle sei wiederum zu klein, und sie sei baufällig, eine neue müsse her. Am wirtschaftlichen sei es, so ein Vorschlag der IHK Wiesbaden, die neue Halle auf die „Wiese“ vor den Hauptbahnhof zusetzen. Das wäre ein Aus für das Gesamtdenkmal gewesen. Ein schon etwas moderaterer Vorschlag, aber dennoch nicht zu akzeptieren, war der Vorschlag einer erneuten Erweiterung der Hallen in die Herbert-Anlage, mit einem Bauriegel von 100 Meter Länge und einer Höhe von 25 Meter, höher als das gegenüberliegende Wiesbaden Museum.
Das brachte die hessische DGGL und auch sehr viele Wiesbadener Bürger in Wallung, es kam zu einer Gegenkampagne, die in die Aktion „DGGL vor Ort“ mündete. Entscheidend für den Erfolg dieser Aktion war die vorherige Lancierung eines ausführlichen Sachartikels als Gastkommentar im Wiesbaden Kurier, verfasst von Hildebert de la Chevallerie, in seiner Eigenschaft als Pressesprecher der DGGL. Dafür sei dem Kurier sehr gedankt!  Viele Leser haben daraufhin angerufen, haben Leserbriefe geschrieben. Am 11. März 2012 war es so weit, die DGGL lud zu einer Parkbegehung ein. Die Aktion war vorbildlich vorbereitet, von der Leiterin des DGGL-Arbeitskreises „DGGL-Akademie Biebrich“, Batja-Barbara Simon, sie hatte das Feld, im wahrsten Sinne des Wortes „abstecken“ lassen, Ballons gaben die Höhe des Bauwerks an, Flatterleinen den geplanten Eingriff in den Park bis kurz vor die Wandelhalle. Die Teilnehmer waren schockiert. Die DGGL-Vorsitzende Petra Hirsch eröffnete die Veranstaltung mit dem Apell an die Bürger: „Erhalten Sie das Einzigartige“, die dann interessiert und zustimmend den Ausführungen der Gartendenkmalpflegerin Carola Schnug-Börderding folgten.
Das alles so vorzüglich klappte verdanken wir vielen Mithelfern und Mitdenkern im Verband, im Arbeitskreis, im Vorstand, am Tag selbst der tatkräftigen Hilfe von Eiko Leitsch und den Studenten aus Geisenheim, Felix Modrow und Tim Harz die halfen die Markierung im Park umzusetzen.. Vorgeschaltet waren unzählige Mails und Telefonate der unermüdlich für die Sache kämpfende Bataya-Barbara Simeon, die in den letzen Tagen und Wochen ständig mit Einladungen, E-Mails, Abstimmungen und Telefonaten beschäftigt war, eingeladen waren alle Fachverbände wie BDLA und AIV, die Fraktionen der im Rathaus vertretenden Parteien, das Landesdenkmalamt, die Stadtverwaltung. Das politische Echo hätte größer sein können, auch das fachliche Engagement der Berufskollegen, aber immerhin sorgte der in der Öffentlichkeit aufgebaute Druck dafür, dass die zuständige Stadtplanungsdezernentin Frau Möricke, nach vorheriger Absage, dann doch zum Ortstermin erschien. Doch was noch wichtiger war,  es erschienen über hundert Bürger, die sich um ihre Herbertanlage Sorgen machten. Auch die anschließende Podiumsdiskussion im überfüllten Presseclub in der Villa Clementine war ein voller Erfolg. Es moderierte der Chef der Lokalredaktion vom Wiesbadener Kurier, Patrick Körber, sehr lebhafter und gekonnt, auf dem Podium saßen als Vertreter der DGGL, Carola Schnug-Börgerding, der Pressesprecher der DGGL, Hildebert de la Chevallerie, als Gast die profunde Kennerin der Wiesbadener Situation, die Stadtplanerin Professorin Benita von Perbandt, bekannt durch ihre Arbeit im Wiesbadener Städtebaubeirat und die Stadtentwicklungsdezernentin Christa Möricke.
Die Meinung des Podiums, bis auf die Vertreterin der Stadt war einhellig, aus städtebaulichen Gründen und natürlich ebenso aus gartenkulturellen und ökologischen, so die Meinung der DGGL, sollte die neue Halle im Bereich des Hauptbahnhofs (ESWE-Gelände) verlagert werden. Hier könne man den gesamten Bereich städtebaulich aufwerten, der ESWE-Fuhrpark könne verlagert werden. Die Messe würde hier mit ihrem lebhaften Messeverkehr nicht stören, wäre verkehrstechnisch hervorragend angebunden, störe keine Anliegern und wäre, was nun schon mehrmals passiert ist, noch erweiterungsfähig. Dieser Vorschlag fand bei den anwesenden Bürgern begeisterte Zustimmung, wie Patrick Körber durch Abstimmung im Saal feststellen ließ. Bürger, insbesondere die Anlieger, wünschen eine Verlagerung der Messe, wollen eine weitere Lädierung ihres Gartendenkmals nicht hinnehmen. Nun steht die Möglichkeit eines Bürgerentscheids im Raum, auch dazu gab es eine erste Vorankündigung. Denn die vorgesehene Bürgerbefragung allein, so die einhellige Meinung der Anwesenden, sei wegen ihres geringen Informationswertes eine Farce. Man wird sehen, was die nächsten Wochen bringen, vielleicht bleibt alles beim Alten, man baut kleiner und am alten Standort, vielleicht erfolgt aber auch ein allgemeines Umdenken.
Noch ein Wort zu Vorschlag der DGGL, den alten Messestandort abzuräumen und in eine Grünfläche zu verwandeln., wie das bereits im Wettbewerb aus dem Jahr 1931 so vorgesehen war. Das wäre, so selbstkritisch muss man sein, selbst bei einer Verlagerung der Messe an den Bahnhof fraglich. Man ist zwar schnell dabei, eine Grünfläche zu bebauen, aber umgekehrt, eine Fläche mit Baurecht „nur“ in Grün zu verwandeln, damit tut man sich schwer. Und doch war dieser DGGL-Vorstoß grünpolitisch wichtig und richtig. Einmal ist es die Feststellung, das Wiesbaden, mehr oder weniger, von seinem historischen Grünkapital zehrt, seinen Kuranlagen, die Grünentwicklung ist proportional nicht mit der Stadterweiterung nun auf das Doppelte ihrer Anwohner, verglichen mit dem Zustand um 1900 nicht mit gewachsen. Und stadtökologisch ist jegliche Verbesserung der Frischluftsituation, besonders hier im Salzbachtal sinnvoll und die zu erwartende Zunahme der Stadterwärmung ist allein durch mehr Vegetation in der Stadt zu begegnen.
 „Mehr Grün in die Stadt und Erhalt und Mehrung der Gartenkultur“ das sind lebenswichtige Forderungen, sind Satzungsziele, für die sich die DGGL stark macht. Dafür lohnt es zu kämpfen und es wäre schön, wenn auch in anderen Orten Hessens Mitglieder unseres Landesverbandes aktiv werden und dort als „Presseverantworliche der DGGL“ auftreten. Probleme wie „Herbertanlage“ gibt es nicht nur in Wiesbaden.

Hildebert de la Chevallerie