Nachlese zu den 24. Nordischen Baumtagen in Rostock Warnemünde
Auch in diesem Jahr waren die Räumlichkeiten im Technologiezentrum Rostock e.V. der ideale Ort für Referate und weiterführende Gespräche rund um das Thema Baum.
In ihrem Grußwort gab sich Karina Jens, Präsidentin der Bürgerschaft der Hansestadt Rostock, sichtlich Mühe, den Anwesenden die Bedeutung von Bäumen nahe zu bringen, wofür ihr nochmals zu danken sei.
Durch das Programm führte in diesem Jahr ein Trio. Stefan Patzer, im Gegensatz zum Vorjahr dieses Mal von Beginn an fit, und Wolf-Peter Polzin bemühten sich mittels Mikrofon und Teegong zunächst, die anwesenden Gäste von den Keksen und Kaffeekannen weg- in den Zuhörersaal zu locken. Für das nächste Jahr wird wohl ein Megafon notwendig werden, um pünktlich beginnen zu können.
Steffie Soldan, die Dritte im Bunde, ergriff nun das Wort, um ihren überdimensionalen „Schlüsselanhänger“ – eine hohle Baumscheibe, die angeblich aus einer antiken Wasserleitung stammen sollte, zu präsentieren. Sinn und Zweck galt es zu erraten.
Wenn Wolf-Peter Polzin ein Referat hält, ist das nur selten ein normaler Vortrag. Entweder darf man als Untermalung den Klängen von Led Zeppelin lauschen oder aber der „Baum des Jahres“ wird ein Geschichtsausflug bis zu den Anfängen der Menschheit oder aber, in diesem Jahr, lässt schon das Thema verwundern. „Der Baum im Kopf – wie Emotionen in die Gesetze kommen“. Wie stets nähert sich die Anzahl der Literaturangaben der 100.
Wir haben gelernt, dass Spinnen, die unvermittelt auf ein Körperteil fallen, bei manchen Menschen markerschütternde Schreie hervorrufen können. Allerdings schreien nur einige, nicht alle. Weshalb, ist noch nicht endgültig erforscht. Fest steht aber, dass jede Reaktion, bewusst oder unbewusst, das Ergebnis der individuellen Entwicklung, Erfahrungen und Emotionen ist. Klingt logisch – auch, dass das Gehirn eines Pubertierenden weitaus mehr Synapsen besitzt als das eines ältlichen Erwachsenen. Kern des autobiografischen Gedächtnisses ist der Hippocampus, ein Teil des Gehirns, der nicht nur einem Seepferdchen ähneln soll, sondern auch seinen Beitrag dabei leistet, zu unterscheiden, welche der Zig-Millionen Informationen, die auf jeden von uns nun einstürzen als wichtig oder unwichtig, gut oder böse, schlecht oder … angesehen werden. Die allermeisten Infos werden aussortiert - aus den verbleibenden 50 Infos pro Sekunde formen sich, jedenfalls bewusstseinsmäßig, die unterschiedlichsten Menschentypen, wie wir alle nun mal Vertreter davon sind.
Dass Libellen kaum Antipathien auslösen, wird an dieser Stelle, aus eigener Kindheitserfahrung, dennoch bestritten. Wanzen sind sicherlich mehr was für Freaks, ebenso Spinnen…womit wir beim Querverweis zum Kern des Referates gelangen: die Bundesartenschutzverordnung. Hier ist geregelt, welches Tier oder Pflänzlein einen besonderen Schutz auf Unversehrtheit genießen soll – nichtgenannte fallen (fast) durch das Raster. Somit sind wir voll beim Hauptanliegen, dem Zusammenhang zwischen Emotion und Gesetz. Selbst habe ich mir, natürlich unterbewusst, ebenfalls öfter die Frage gestellt, weshalb einige stumme Mitlebewesen nun das besondere Privileg genießen in einem Gesetzestext namentlich erwähnt zu werden, andere, ebenso hübsche, dagegen nicht.
Alle lauschen gespannt, ob denn nun bald die Bäume an der Reihe sind. Und endlich kommen sie: „Ein verstümmelter Baum zeugt zumindest davon, dass der Urheber keine innere Beziehung zu Bäumen hat und auch nicht weiß, welche Folgen sein Handeln für den Baum nach sich zieht.“
Die biografischen Strukturen des „Baumpflegers“ aus der Kronengestalt eines Baumes ablegen zu wollen, nachdem dieser die Säge angelegt hatte ist sicherlich eine (nicht ganz ernst gemeinte) gewagte, dennoch interessante These…
Der Vortrag ist nicht abschließend, kann er auch nicht. Eigentlich geht es weniger um Bäume als um das Verhältnis zwischen Mensch und Natur, den Befähigungen Einzelner und, letztendlich, dem gemeinsamen Miteinander. Im Vortrag kam ein ganzes Stück vom eigenen Ich des Referenten herüber – eben Emotion, Led Zeppelin ist nicht fern.
Wer während des Vortrages nicht ganz mitgekommen ist, dem wird die Nachbearbeitung des Skriptes zu Hause durchaus empfohlen!
Hans-Jürgen Reinhardt konnte seine ursächsische Herkunft nicht verbergen, war dennoch zu verstehen. Seine Passion besteht im fotografieren alter Bäume, das zu verschiedenen Jahreszeiten. Mit seiner Pentax ist es ihm in den vergangenen 12 Jahren auch gelungen, zahlreiche stattliche Vertreter, die im Osten Deutschlands stehen, auf seine Dia-Filme zu bannen. Zu einem richtigen Dia-Vortrag gehört auch, dass mal ein Bild hängen bleibt, wobei aufsteigende Qualmwolken schon Schlimmes befürchten ließen. Glücklicherweise haben alle Fotos überlebt. Es war zu spüren, wie der Referent mit seinen Fotos glücklich ist. Schön wäre es allerdings gewesen, zu einigen besonders markanten Bäumen auch die kleinen Geschichten zu erzählen, die sich um sie ranken, wie etwa um die Schwedenlinde im brandenburgischen Brielow.
1996 erschien der erste Kalender mit „Baumriesen“.
In den nächsten Jahren und Jahrzehnten bleibt sicherlich noch Zeit, viele der zahlreichen urigen Zeitgenossen, die auch in den anderen Bundesländern stehen, auf Dia-Filmen zu verewigen.
Herr Prof. Dujesiefken ist Stammgast auf den Baumtagen. Baumpflege und Artenschutz war sein Thema. Das Ganze aus praxisbezogener Sicht. Bäume in der Stadt und in der freien Landschaft genießen seit jeher gegenüber Waldbäumen einen erhöhten Schutz.
Meinungsverschiedenheiten zwischen Behörden, Bürgern und sonstigen Beteiligten zeigen den großen Aufklärungs- und Diskussionsbedarf im Umgang mit Habitatbäumen, wobei der Begriff, was ein solcher überhaupt ist, noch zu definieren wäre.
Zu Fällungen, die nach Antragstellungen häufig als einzige Möglichkeit erscheinen, sollte insbesondere bei Bäumen, denen ein überdurchschnittlicher Wert am Naturhaushalt beigemessen werden kann, nach ernsthaften Alternativen gesucht werden. Weder die ausschließliche Betrachtung der Verkehrssicherheit noch deren Vernachlässigung zugunsten von Tieren und Pflanzen, die die Bäume besiedeln, sind zulässig. Mögliche Lösungsansätze zur Konfliktlösung werden aufgezeigt. In der tagtäglichen Arbeit sind die Baumpfleger verstärkt gefragt. So wird der Aus- und Weiterbildung zur Thematik Artenschutz zukünftig ein höherer Stellenwert eingeräumt werden müssen.
Den Foto-Workshop am Nachmittag konnte ich leider nicht besuchen.
Die Abendveranstaltung fand bei schönstem Wetter an einem neuen Hotel am Warnowufer in Rostock-Dierkow statt. Schön, dass es das Budget hergab an Stelle von Schmalzstullen wieder eine zünftige Grillrunde anbieten zu können. Auf Bänken, die auf einer weitläufigen Rasenfläche am Warnowufer stehen, wurde der Tag bei diversen Bieren und weinhaltigen Drinks ausgewertet.
Am zweiten Tag eröffneten Steffie Soldan und Jörg Harmuth, Stadtforstamt, mit einem in vielen Teilen der Republik brandaktuellen Thema – dem Eichenprozessionsspinner. Der Schädling hat sich in Rostock und Umgebung noch nicht angesiedelt, was für die Zukunft jedoch erwartet wird. Vorgestellt wird ein Konzept zur Befallsbekämpfung, wonach Flächen in vier Dringlichkeitskategorien eingeteilt werden sollen.
Das Auftreten der Tiere muss weder dramatisiert noch darf es bagatellisiert werden. Leider war die Zeit zur Diskussion etwas kurz geraten. Sonst hätte auf den Vorschlag, an Alleen nicht zu bekämpfen, erwidert werden können, dass die langen Baumreihen als Einfallspforte in Städte dienen können. Auch das Zögern und Hadern, wie es im Brandenburgischen vielerorts jahrelang typisch war, hat letztendlich dazu geführt, dass sich Populationen stärker entwickeln konnten als das bei regelmäßiger Kontrolle und Bekämpfung hätte sein müssen.
Dr. Robert Schmidt, LALLF M-V, ebenfalls ein „alter Hase“, referierte über seine Erfahrungen mit Gehölzschäden und das wie immer grundsolide. Sicherlich waren die Dinge, die er vortrug nicht brandneu, aber dennoch interessant, weil der Frage, weshalb eine bestimmte Erkrankung überhaupt entsteht und unter welchen Umständen sie aufgetreten ist, häufig zu wenig Beachtung geschenkt wird. Sein großes Stichwort war „Rückschau“ – Ursachenforschung in der Vergangenheit des Pflanzenlebens. Gemeint sind, etwa bei Baumpflanzungen, simple Dinge wie die Inaugenscheinnahme der Bäume vor der Pflanzung, die Art und Weise des Transportes, die Standortverhältnisse am Anzuchtort, Fragen des Pflanzvorganges und der Pflege nach dem Einpflanzen. Bei umfassender Information lassen sich häufig leichter Rückschlüsse auf ein konkretes Krankheitsbild ziehen, was sinnvoller erscheint, als allein die Erscheinung bekämpfen oder heilen zu wollen.
Den Rest des Tages war ich nicht mehr da.
Mit einem durchaus interessanten Vortrag von Herrn Volker Rahenbrock, Baumschule Bruns, begann der dritte und letzte Tag. Referiert wurde über Bäume, die sich unter den sich verändernden klimatischen Bedingungen in Städten auch zukünftig gesund entwickeln sollen. Von den 19 Baumarten, die kurz vorgestellt wurden, war lediglich Pinus sylvestris als einheimisch auszumachen. Interessanterweise wurde mit dieser Art sowie mit Thuja plicata `Excelsa` immerhin zwei immergrüne Arten genannt, die für Pflanzungen in der Stadt als geeignet angesehen werden, erfreulich, wie ich finde, gehören doch die immergrünen Gehölze zu einer aussterbenden Spezies, die von vielen Planern vermutlich als altmodisch verschmäht und gescheut werden?
Etliche der von Herrn Rahenbrock vorgestellten Gehölze sind durchaus schon verbreitet, andere weniger. Etwaige Bedenken, die bei manchen Arten wegen zu geringer Frostbeständigkeit in den küstenfernen ostdeutschen Gebieten aufkommen könnten, beispielsweise bei Parrotia persica `Vanessa`, lassen sich durch probeweises Anpflanzen an einem wenig geschützten Standort durchaus einmal testen.
Bleibt abzuwarten, ob es auch den Mitarbeitern der Unteren Naturschutzbehörden durchgängig gelingt, anzuerkennen, dass sich die Mehrzahl einheimischer Baumarten für extreme Standorte in Städten aus verschiedenen Gründen leider nur sehr bedingt eignet. Eine leidige Diskussion hätte damit ein Ende gefunden.
Über die Nährstoffsituation und Düngung an Jungbaumstandorten, über die Dr. Dietmar Bilz anschaulich referierte, ist tatsächlich noch nicht allzu viel bekannt. Dabei müsste das Forschungsthema gar nicht auf Jungbäume beschränkt bleiben.
Außerhalb von Ortschaften sind die Nährstoffverhältnisse von 216 jungen Bäumen, die auf gewachsenem Boden stehen, analysiert und in Gehaltsklassen gruppiert beschrieben worden.
Zusammenfassend festgestellt wird, dass die Nährstoffsituation bei sämtlichen Hauptnährstoffen, ausgenommen Magnesium, bei 80 % der untersuchten Standorte als zu gering einzuschätzen ist. Auch Ackerböden, die erst kürzlich aus der Nutzung genommen worden sind, zeigen in der Regel nicht das Nährstoffniveau, das für Jungbäume empfohlen wird. Ob die Vergleichsbasis Baumschulkulturen – u.a. Arbeiten von AVERDIECK, 2006 –, die geeignete ist, muss in nachfolgenden Versuchen für verschiedene Kulturen sicherlich noch geprüft werden, um eventuelle Überdüngungen zu vermeiden.
Neben Nährstoffen ist auch die Bodenfestigkeit im unmittelbaren Baumumfeld außerhalb der Pflanzgruben geprüft worden, mit dem Ergebnis, dass die Standorte häufig zu stark verdichtet sind um eine positive Gehölzentwicklung nach der Anwachsphase erwarten zu lassen.
Mit landwirtschaftlichen Methoden, insbesondere der Tiefenlockerung, könnte Abhilfe geschaffen werden.
Herr Christof Sandt aus Wiesbaden appellierte an die anwesenden Zuhörer, zukünftig mehr Säulenbäume an Straßen zu pflanzen. Die Verwendung schlanker Gehölze zur Betonung besonderer Situationen in und außerhalb von Städten wurde in zahlreichen Fotos beworben und ist an diesen Stellen sicherlich auch richtig. Das „Herzblut“, das er hierfür aufgewendet hat, war sicherlich nicht vergeudet.
Tatsächlich ist das Thema umfassender als es im Vortrag erläutert worden ist. Gerade in beengten Verhältnissen an Stadtstraßen wären Säulenbäume überall dort gut geeignet, wo alte Bäume mit ausladendem Wuchs dazu führen, dass Mieter das Licht in den Zimmern auch am Tage einschalten müssen. Ausufernde Rechtstreitigkeiten wären durchaus vermeidbar, wenn sich eine gewisse Kenntnislosigkeit oder Ignoranz mancher Behördenmitarbeiter durch Fachkompetenz und guten Willen ersetzen ließe. Es müssen nicht immer Linden oder Ahorne als nachzupflanzende Arten sein, bloß weil die mal dort gestanden haben.
Beachtet werden sollte, dass manche Arten und Sorten, die in der Jugend säulenförmig wachsen, diese Eigenschaft mit zunehmendem Alter teilweise verlieren.
Dass zur Pflanzung einer Allee mehr gehört als Bäume, Schnurnagel und eine Rolle Garn erläuterte Karsten Kriedemann umfassend. Sein Exkurs begann mit einer kurzen Analyse der Bestandsituation. Es ist erfreulich, dass in Mecklenburg-Vorpommern immerhin 20 % des bundesdeutschen Alleenbestandes zu finden sind. Diesen gilt es zu erhalten und zu mehren.
Zur Pflanzung einer Allee müssen zunächst die finanziellen Mittel bereitgestellt werden. Hierfür werden mögliche Quellen und Fördertöpfe aufgezeigt.
Wer einmal in den Grunderwerb hineingeschnüffelt hat, weiß, dass die Vorbereitungszeit zur Pflanzung einer Allee sich allein aus diesem Grund über Jahre hinziehen kann. Auch die Nachbarn sollten eingeweiht und gefragt werden. Sämtliche am Prozess Beteiligte müssen ihr Jawort geben, was nicht immer ganz einfach ist.
Nach dem Abschluss der Vorbereitung beginnt die eigentliche Planungsarbeit. Anschaulich wird erläutert, dass es durchaus sinnvoll ist, mögliche negative Faktoren, die sich auf das Pflanzenwachstum auswirken können, im Vorfeld abzuchecken. Lösungen müssen gefunden werden, etwa bei schweren Böden, in denen sich das Wasser staut oder aber der Energieversorger beabsichtigt, in wenigen Jahren nach der Pflanzung auf derselben Trasse Leitungen zu verlegen. Mit der Leistungsbeschreibung sollten die zahlreichen Anforderungen in ihrer Spezifik auch aufgezeigt und abverlangt werden.
Dass zum Erfolg einer Pflanzung auch eine fachgerechte Bauüberwachung und anschließende Dokumentation notwendig ist, wird allen Beteiligten, die Baumpflanzungen zu verantworten haben, nahe gelegt.
Traditionell endet der Nachmittag des letzten Tages immer mit einer Busexkursion ins Grüne. Dieses Mal war es nicht unbedingt Grün sondern feucht und steinig - der erste Stopp führte uns in die Obstmosterei nach Satow. Neben der Verkostung vor Ort kam ich mir stellenweise wie im früheren Intershop vor, denn viele der dort hergestellten Säfte sind im Handel kaum oder nicht zu haben. Wer nicht fachlich vorbelastet ist, wird bei der Vorstellung der Pressen, Schleudern und Tanks nicht unbedingt feuchte Augen bekommen – interessant war es allemal. Dem jungen Mostereimeister auch zukünftig viel Erfolg!
Freiherr von Maltzahn, der kürzlich das Wasserschloss Gnemern, das sich bis 1945 im Familienbesitz befand, kaufte, schwärmte von seinen Visionen, das Gebäude und die angrenzende Parkfläche betreffend. Letztere war leider kaum noch als solche zu erkennen, so dass sich ein Rundgang wohl nicht lohnte. In wenigen Jahren sollen auf dem Areal die Festspiele MV stattfinden.
Es war erstaunlich mit welcher Unbedarftheit sich die dutzenden Mitreisenden bei der Führung durch das Gebäude dem neuen Hausherren anschlossen. Nicht jede der zum Teil noch sehr ansehnlichen Geschossdecken wirkte vertrauenserweckend. Wer sich schon einmal mit der Sanierung alter Gebäude beschäftigt hat, weiß um die mitunter im Verborgenen liegenden Tücken verbauter Hölzer.
Herrn von Maltzahn viel Glück bei der Arbeit in den nächsten Jahren, die wohl so manche Überraschung an den Tag befördern wird.
Mit der Rückfahrt nach Warnemünde endeten drei bestens organisierte und inhaltlich abwechslungsreiche Tage. Wie immer angenehm, war die ungezwungene Atmosphäre.
Den Organisatoren gebührt Lob und Dank!
Guntram Gehler, Landschaftsarchitekt