„Vom Schlossgarten zum Rosensteinpark“ – gartenhistorischer Spaziergang mit literarischer Begleitung
Am 10. September hat im vergangenen Jahr wieder der „Tag des offenen Denkmals“ stattgefunden. Die einst französische Erfindung von 1984 hatte der Europarat aufgegriffen und nun bereits seit 13 Jahren ebenfalls in Deutschland durchgeführt. Auch dieses Mal gab es wieder zahlreiche Kulturdenkmäler zu entdecken und zu erleben: 2006 stand der Tag unter dem Motto „Rasen, Rosen und Rabatten. Historische Gärten und Parks“. Dies war das erste Mal, daß die „Denkmalpflege im Grünen“, also die Gartenkunst und Gartenarchitektur, in das zentrale Blickfeld gestellt wurde.
Auch die DGGL stellte hierzu ein Kulturdenkmal in Form des gartenhistorischen Spaziergangs mit literarischer Begleitung vor: „Vom Schlossgarten zum Rosensteinpark“. Anhand von neun Stationen innerhalb des Parkgeländes wurde die Geschichte der innerstädtischen Gartenanlage Stuttgarts anschaulich erläutert. Ganz nach Theodor Heuss` Zitat „Der Weg durch die Geschichte der Gärten wird zu einer Wanderung durch den Garten der Geschichte“ bewegten wir uns von der Renaissance über den Landschaftsgarten bis zur Gestaltung der 70er Jahre in Stuttgart`s „Grünem U“ fort. Beginn war der Obere Schlossgarten, hier fand sich auf der Treppe am Neuen Schloss eine nette Gruppe zusammen, die sich rege interessiert zeigte. Frau Laun und Herr Dr. Gugenhan führten durch die Anlagen und hatten stets ein paar erfrischende Worte parat. Wir erfuhren, daß die Geschichte des Oberen Schlossgartens bereits im 16. Jh. begann, damals in Gestalt des Lustgartens und des deutlich kleineren Herzogingartens. Reiz und Ruhm des Lustgartens lagen in der vielseitigen Verwendbarkeit als Schauplatz für Feste und Spiele, besonders die beiden Lusthäuser mit Rennbahnen erfreuten sich einer ausserordentlichen Repräsentanz. Von den Gärten des 16. Jhs. existiert heute freilich nichts mehr, in ihrer typischen Ausprägung als maniristische Fürstengärten wären sie für unsere heutige Gesellschaft auch nur schwerlich nutzbar.
Das grüne Stuttgart fand jedoch nicht überall nur Anklang. Einige Zitate und Worte berühmter Größen der früheren Literatur waren nicht unbedingt positiv auf Stuttgart gestimmt. So erfuhren wir, daß unser sonst so schönes Stuttgart zu früheren Zeiten von mancher Persönlichkeit als eher „öder Ort, grämlich und eng“ verschmäht wurde, und daß die Dichterwelt sich lieber schnell wieder zurückzog, ganz nach Käte Hamburger`s Worten: das beste an Stuttgart sei die Nähe zu Marbach…
Doch es gibt auch andere Stimmen aus der Dichterwelt: Max Ophüls schrieb, er liebe Stuttgart sehr, „es ist zwischen gemütlichen Hügeln gebaut, und die Wälder und die Weinberge reichen bis in die Geschäftsstraßen“. Mit diesen Worten wird die lange grüne Tradition Stuttgarts in ihrer eingebetteten Kessellage und der steten Erweiterung der Grünverbindungen bis hin zum „Grünen U“ sehr gut bewußt. Die berühmte Parkverbindung erfüllt außer der Erholungsnutzung aber auch ökologische Aspekte: neben dem Biotopverbund steht gleichwohl die Frischluftzufuhr an prioritärer Stelle - die Hauptwindrichtung kommt in Stuttgart aus Südwest und entspricht somit der Ausrichtung der Schlossgärten.
Unsere zweite Station bildete der Akademiegarten hinter dem Schloss, hier erfuhren wir einiges über die Veränderungen im Verhalten der Parknutzer: Anhand der amtlichen Bekanntmachung in der „Schwäbischen Chronik“ im Oktober 1808 hatte der König nun dem Publikum die Befugnis eingeräumt, die Anlagen hinter dem Königlichen Schloss zu Promenaden sowohl zu Fuß als auch im Wagen und zu Pferd zu benutzen. Um ausreichend Ordnung zu bewahren wurde der Park eingefriedet, von Wächtern bewacht und des Nachts abgeschlossen. Beim Flanieren durch die Grünanlage erfolgte ein kurzer Stop am Kaskaden-Wasserspiel. Es bildet einen lebendigen Auftakt zur weiteren Parklandschaft, welche sich hier vom urbanen Stadtpark langsam zum idyllischen Naturparadies wandelt. Unser weiterer Spazierweg führte uns auch an den letzten Überresten des Lusthauses von Georg Beer vorbei. Das 1593 fertiggestellte Gebäude befand sich einst an der Stelle des Kunstgebäudes, die verbliebene Treppenruine wurde schließlich Anfang des 20. Jhs. an die heutige Örtlichkeit versetzt. Die Sanierung bzw. die Neugestaltung des Oberen und Mittleren Schloßgartens wurde im Rahmen der Bundesgartenschau 1961 großzügig in Angriff genommen. Neben weiteren Blickpunkten wie dem Rondellplatz und den Rossbändiger-Statuen aus Carrara-Marmor des Stuttgarter Bildhauers Ludwig von Hofer, die bis zu ihrem heutigen Standort so manche Hürde zu überwinden hatten, schlenderten wir die alte Platanenallee entlang. Sie ist heute als Naturdenkmal vermerkt und wurde einst genau nach dem Turm der Cannstatter Kirche ausgerichtet. Schließlich gelangten wir zu den Mineralsprudlern. Der im Rahmen der Bundesgartenschau von 1977 entstandene Parkabschnitt überdeckelt den Verkehrsknotenpunkt des Schwanenplatzes und macht die Fläche als Parkgelände nutzbar. Gleichzeitig verbindet der Bereich den Rosensteinpark, die beiden Neckarufer – Berger Insele und Seilerwasen - und den Park der Villa Berg miteinander. So entstand die durchgängige Grünverbindung des „Stuttgarter Grünen U“s vom Schlossgarten bis hinauf zum Kräherwald bzw. der Feuerbacher Heide. Der Bereich der Mineralsprudler ist gekennzeichnet von der angelegten Seengruppe, den Wiesenräumen und Baumgruppen, die ein natürliches Parkbild abgeben. Den einzelnen Park-Bausteinen ist ihr unterschiedlicher Charakter bis heute recht gut erhalten geblieben und macht somit die jeweilige zeitliche Entstehung gut nachvollziehbar.
Als letzte Station stand der Rosensteinpark mit Schloss auf dem Plan. Der Rosensteinpark ist ebenso wie der Obere und Mittlere Schlossgarten sowie die Platanenallee als Kulturdenkmal allgemeiner Bedeutung unter Schutz gestellt. Angelegt wurde er ab 1823 nach dem Entwurf des württembergischen Hofgärtners Johann Wilhelm Bosch. Er verkörpert in seiner Gesamtkonzeption geradezu beispielhaft die klassische Phase des Landschaftsgartens und wurde von der Engländerin Frances Trollope in ihren Reisebriefen entsprechend hoch gelobt. Die an diesem Tag neu- oder wiederentdeckten, bedeutenden Gartenschätze Stuttgarts ließen wir abschließend im Karlsgarten bei einer prickelnden Erfrischung nochmals Revue passieren.
Autorin: Verena Vrakas