Auf Einladung von Dr. Christian Hlavac und Dr. Ulrike Krippner fand im September die bestens vorbereite und wohlorganisierte Fachexkursion zum grünen Nachkriegserbe in Wien statt. Eine großartige Organisation bescherte nachhaltige Erlebnisse.
Hier finden sie den Exkursionsbericht als pdf
Die im September 2014 gegründete Arbeitsgruppe „Grünes Nachkriegserbe“ als Teil des DGGL-Arbeitskreises „Historische Gärten“ veranstaltet regelmäßig Jahresexkursionen. Die diesjährige führte im September 2024 in die österreichische Bundeshauptstadt Wien, wobei aufgrund der Unwetter in Ostösterreich zahlreiche Personen nicht anreisen konnten.
Im Fokus standen Wiener Grün- und Freiräume der 1950er- bis 1970er-Jahre. Am ersten Halbtag besuchte die Gruppe kommunale Wohnhausanlagen aus den 1950er-Jahren mit ihren (Kinderspiel-)Plastiken. Am frühen Nachmittag wurden die Reste des Wiener Blindengartens und eines „Schottischen Steingartens“ aus den späten 1950er-Jahren – beide im Wertheimsteinpark gelegen – gemeinsam mit Franz-Ferdinand Harrant von der Magistratsabteilung MA 42 (Wiener Gärten) besichtigt. Nach einem „zeitlichen“ Abstecher in den japanischen Garten „Setagayapark“ aus den 1990er-Jahren wurde der erste Exkursionstag mit einem Besuch des LArchivs (Archiv Österreichischer Landschaftsarchitektur an der Universität für Bodenkultur Wien) abgeschlossen, in dem zahlreiche Nachlässe von österreichischen Landschaftsarchitektinnen und -architekten archiviert werden. Anhand ausgewählter Pläne und Zeichnungen wurde die Bandbreite des Bestandes ersichtlich. Die Vorführung des Films „Wien und seine Gärten“ (um 1953) und eines zeitgenössischen Fernsehbeitrags über die Wiener Internationale Gartenschau WIG 1974 ergänzten das Programm im LArchiv.
Der zweite Exkursionstag startete mit einem ausgiebigen Besuch des Kurparks Oberlaa, dem einstigen Gelände der WIG 1974. Eine große Überraschung bestand darin, dass der 80-jährige Garten- und Landschaftsarchitekt Werner Kappes extra aus Hessen angereist war. Der einstige Bauleiter der Gartenschau konnte anschaulich von den damaligen Planungsarbeiten berichten. Gemeinsam mit seiner Frau Eva (geborene Hanke) war er in den frühen 1970er-Jahren mehr als drei Jahre in Wien an der Umsetzung der Planung seines Schwiegervaters Erich Hanke und dessen Landschaftsarchitekturbüro in Sulzbach am Taunus beteiligt. Über den Volkspark Laaerberg, der in den 1930er- beginnend bis in die 1960er-Jahr hinein angelegt wurde, ging es in die Per-Albin-Hansson-Siedlung West mit ihren öffentlichen und privaten Grünflächen, an deren Planung der Wiener Gartenarchitekt Viktor Mödlhammer federführend beteiligt war. Höhepunkt war die Möglichkeit, einen der dortigen Hausgärten zu besichtigen.
Der dritte Tag begann mit einem Besuch des öffentlichen Arenbergparks, der auf einen privaten Garten der Familie Esterházy zurückgeht und 1949/1950 nach einem Wettbewerb umgestaltet wurde. Danach ging es in den Trabrenngründe-Hof (Siedlung Rennbahnweg), einer großen kommunalen Wohnhausanlage aus den 1970er-Jahren. Am Nachmittag schloss eine Besichtigung des teilweise neu gestalteten Rosengartens und der Wasserkaskade der Wiener Internationalen Gartenschau WIG 1964 im heutigen Donaupark an. Das letzte Ziel der dreitägigen Exkursion war das Strandbad Gänsehäufel, das nach der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg in den 1950er-Jahren komplett neu aufgebaut wurde. Der Leiter der Wiener Bäder (MA 44), Hubert Teubenbacher, und der für die in den 2000er-Jahren stattgefundene Renovierung zuständige Architekt Wolfgang Holzhacker führten in kurzweiliger Art und Weise durch das Gelände, das einen äußerst positiven Eindruck bei den Exkursionsteilnehmerinnen und -teilnehmern hinterließ.
Die besuchten Grünanlagen sind zum einem Teil gut, zum anderen Teil noch kaum erforscht. Diese Forschung und eine Öffentlichkeitsarbeit für das „grüne Nachkriegserbe“ sind wichtig, um die Hauptursache für das Verschwinden zahlreicher qualitativ hochwertiger Anlagen aus dieser Zeitepoche zu beseitigen: die Unkenntnis. Dies zu ändern ist ein wichtiges Ziel der Arbeitsgruppe, dessen nächstes Treffen samt mehrtägiger Exkursion für 2025 im Ruhrgebiet geplant ist.
Die Arbeitsgruppe „Grünes Nachkriegserbe“ steht allen Fachleuten offen, die am Erhalt von Freiflächen dieser Zeitepoche interessiert und zur Mitarbeit bereit sind. Interessenten wenden sich bitte an einen der drei Sprecher der Arbeitsgruppe [interner Link: https://www.dggl.org/arbeitskreise/historische-gaerten/personen-kontakt.html].
Christian Hlavac und Ulrike Krippner