Die Führung über den Erfurter Hauptfriedhof begann bei strahlendem Sonnenschein direkt am Haupteingang am Samstag, 30.11.2024.
Dort berichtete Frau Schlag zunächst über die Entstehung und Geschichte des Hauptfriedhofes, der über einen Architektenwettbewerb 1912 zur Planung eines ersten Zentralfriedhofes für die Stadt ausgeschrieben wurde.
Zu Beginn der Jahrhundertwende und in den ersten 25 Jahren kam es zu großen gesellschaftlichen und kulturellen Umbrüchen, die sich auch in der Gestaltung und Zielvorstellung einer neuen Friedhofsanlage niederschlagen sollten.
Die neue Sachlichkeit brachte neue Ideen und Vorstellungen auch für Friedhofsanlagen mit sich. Die rastermäßigen Belegungen und Wegeführungen für eine effektive Ausnutzung des Geländes, wie sie zunächst durch rasant anwachsende Bevölkerungszahlen notwendig war, sollten abgelöst werden durch offenere und landschaftlich prägendere naturnahe Belegungen, breiten Baumalleen, und zentrierte Gehölzgruppen mit Sträuchern und Blumen.
Die einzelne Grabanlage und das Grabfeld, aber auch das Grabfeld und die umschließende Wegeführungen- alles sollte in Beziehung gesetzt werden und miteinander eine Harmonie von Landschaft und Grabstätte herstellen. Für diese hohen Ansprüche musste Überzeugungsarbeit geleistet werden- Hinterbliebene sollten ansprechende Grabmale aufstellen und eine angemessene hochwertige Bepflanzung einrichten. So sind auch ursächlich die bekannten Mustergrabanlagen entstanden, um Hinterbliebenen Ideen und Möglichkeiten einer anspruchsvollen Grabgestaltung vorzustellen und den Geschmack dahingehend zu schulen. So auch in München vorgenommen durch den damaligen Gartendirektor, der zu gleicher Zeit wie in Erfurt, eine neue Friedhofssatzung mit Grabfeldgestaltungsvorschriften an die Einwohner erstmalig vorstellte und Erfolg hatte.
Solch eine Mustergrabanlage besteht auch in Erfurt heute noch, wie auch noch eine Vielzahl von Grabfeldern mit Gestaltungsvorgaben.
Als ein zunächst vollkommen freies Ackerland mit 65 m Höhenunterschied im Gelände wurde der Hauptfriedhof mit einer Gesamtfläche von 57 ha 1910 erworben und 1914 feierlich eröffnet. Die erste offizielle Bestattung aber fand erst 1916 statt, da die abschließende Fertigstellung sich noch hinzog und nicht wie geplant 1915 realisiert wurde. Es gab auch damals schon diese terminlichen Umstände.
Heute hat der Hauptfriedhof 54 Grabfelder und eine Vielzahl verschiedener Grabarten. Dabei ist die Entwicklung hin zu den Feuerbestattungen sehr stabiler Trend (95 % Urnenbeisetzungen zu 5 % Erdbestattungen) und schlägt sich auch im Angebot von Grabarten für Urnen nieder.
Der Trend geht außerdem eindeutig zur pflegefreien Grabstätte, dies auch als Einzelgrabanlage beim sogenannten Partnergrab, aber auch sehr stark zu Sammelgrabstätten mit Namensnennung. Neben diesen neuen Grabformen besteht auch eine ansteigende Nachfrage bei den Beisetzungen einer oder mehrerer Urnen an einen Baumstandort. Hier wird vor allem dem Wunsch Hinterbliebener Rechnung getragen, die einen naturnahen Bestattungsort suchen und doch nicht in den naheliegenden Forst gehen möchten.
Der Friedhof weißt eine Vielzahl verschiedene Baumgattungen auf, die in den zurückliegenden Stressjahren 2018 und 2019 stark beeinträchtigt wurden.
Insbesondere bei den Koniferen zeichnet sich diese Entwicklung im Grabfeld 17 drastisch ab, da hier in einer besonderen Gestaltungsform angelegte Ringanlagen durchgehend mit Fichten bepflanzt wurden und diese fast vollständig ausgefallen sind.
Hier und generell im Friedhofsgelände werden seit 2022 wieder Nachpflanzungen von Bäume durchgeführt, bei denen vor allem Hitzeverträglichkeit und Stresstoleranz Auswahlkriterien sind. Es bleibt abzuwarten, was tatsächlich funktioniert und wo man noch korrigierend probieren muss!
Nach ca. 3,5 h war der Rundgang am Muslimischen Grabfeld beendet, wo man vor allem Informationen zu den religionsbedingten Besonderheiten der Bestattung und Grabpflege erfuhr.
Text: © 2024 | Evelin Schlag - Sachgebietsleiter(in) Friedhofsverwaltung - Garten- und Friedhofsamt
Friedhofs- und Bestattungswesen
Fotos: © 2024 | CM - Christiane Margraf, BG - Bärbel Görbing
weitere Links:
Bestattungsarten
Das Regenbogengrab
Das weiße Kreuz
historische Grabmale auf dem Hauptfriedhof Erfurt
J.C. Schmidt